Gespräch mit der Klarinettistin und Saxofonistin Christina Fuchs sowie der Kontrabassistin Romy Herzberg über das Duo-Projekt KontraSax

Anlässlich des Konzerts von KontraSax in der Tonhalle Hannover hatte ich Gelegenheit, mit Christina Fuchs und Romy Herzberg über dieses musikalische Projekt zu sprechen.

Was waren die Gründe, sich auf ein Duo einzulassen, sprich für die so intime Verbindung von zwei Musikerinnen? Da ein solcher Verbund sehr intim ist, ist dies ja auch eine besondere Herausforderung, oder?
CF: Das stimmt. Geplant im eigentlichen Sinne war das Duo nicht. Ich war 1987 neu in Köln und habe Leute gesucht, mit denen ich spielen kann. In diesem Versuchsfeld fand sich eine größere Besetzung...

RH: … ein Sextett war's.

CF: Dort habe ich Romy kennengelernt. Dieses Sextett hat jedoch - wie so viele Projekte - einfach zu nichts geführt. Aber: wir beide sind daraus hervorgegangen, indem wir uns in diesem Kontext kennen gelernt haben und dachten, daraus könnte etwas werden! Wir sind als Kern übrig geblieben und haben entschieden, zu zweit weiterzumachen. Es war nicht geplant, sondern hat sich so ergeben. Wir mochten uns und wollten weiter gemeinsam arbeiten. Dabei entwickelte sich eine Eigendynamik, aus der sich recht schnell Konzerte ergaben, was ja immer ein guter Grund ist, weiterzumachen. Es ist manchmal so lapidar und es klingt zufällig, was es zum Teil auch ist. Wie ich eingangs sagte, ich war auf der Suche und Romy vielleicht auch. Das weiß ich gar nicht genau.

RH: Darüber haben wir nie gesprochen...

CF: Ich war definitiv auf der Suche nach Leuten, mit denen ich zusammenarbeiten konnte und wollte. Romy war eine der ersten, die ich traf und das hat am längsten gehalten.

RH: Wir spielen jetzt 33 Jahre zusammen.

Was ist die Herausforderung eines Duos?

RH: Das mit der Intimität stimmt. Wir kannten uns ja anfänglich gar nicht. Es war nach einer Probe tatsächlich so, dass ich froh war, einfach wieder weggehen zu können, um meinen Raum zu haben, weil man sich musikalisch intimer ja gar nicht ausdrücken kann. Es gibt kein Verstecken wie in einer größeren Besetzung. Im positiven wie im negativen Sinne fallen schöne Dinge auf, aber auch sogenannte Fehler. Das Entscheidende war, jetzt nach 33 Jahren, aber bereits auch schon nach 10 Jahren, dass wir blind aufeinander hören können. Wir könnten irgendwo auf der Welt sein, und würden wir spielen, wüssten wir, die andere ist immer da. Diese Verlässlichkeit ist im Laufe der Jahre, der Jahrzehnte entstanden. Ich war anfangs überrascht, wenn Zuschauer sagten, man würde es auch hören, dass wir uns so gut verstehen. Wieso? Wir spielen doch einfach. Ja, die Dialogfähigkeit, inzwischen weiß ich das, war schon sehr früh zu hören. Gerade wenn Leute uns live erleben – nicht nur weil wir zwei Frauen sind, das ist immer noch außergewöhnlich – ist dieses musikalisch Miteinandersprechen und Zuhören, eine große Herausforderung und zugleich das große Glück.

CF: Retrospektiv gesehen ist und war es auch sehr hilfreich, dass wir zwei Frauen sind. Ich glaube, Frauen haben in hohem Maß die Fähigkeit, empathisch zu sein, zuhören zu können, etwas miteinander zu machen, Fehler zulassen zu können, ohne dass man gleich aufgibt. Das haben wir miteinander kultiviert, meistens völlig problemlos. Wir haben uns nie gegenseitig fertiggemacht, sondern uns aufgebaut. So haben wir es immer gehalten und uns so über die Jahre nie über irgendwelche Themen verworfen. Es war immer konstruktiv. Nur so hält man 33 Jahre durch (lacht!).

Wie kam die Entscheidung für die Instrumentierung mit Saxofon bzw. Klarinette und Kontrabass zustande? Zufall? Ist KontraSax im Sinne von kontra Saxofon zu verstehen, einem Instrument, von dem gesagt wird, das es sehr dominierend im Jazz ist und gelegentlich auch marktschreierisch die Stimme erhebt?
RH: Das Kontra ist ein Missverständnis. Es ist nicht ein Kontra gegen das Saxofon, sondern nur die erste Worthälfte von Kontrabass. Was sollte Christina machen? Sie wollte mit mir spielen, und ich spiele nun mal Kontrabass. Ich habe das Instrument gleichsam in die Ehe gebracht. Wir finden aber auch, dass das zwei Instrumente sind, die gut zueinander passen. Am Anfang hast du, Christina, überwiegend Sopransaxofon gespielt. Teilweise sind die Instrumente durchaus gegensätzlich, aber es sind beides starke Stimmen. Man kann einfach mit den Instrumenten unglaublich viele, ich sage mal, Klänge erzeugen. Die sind ja voller Klangfarben. In einem Kontrabass stecken ja eine Vielzahl von Klangfarben. Das gilt für die Blasinstrumente auch. Es gibt eine Neugier darauf, was die Instrumente in sich haben, was wir denen entlocken können.

CF: Genau, wenn man mal die Instrumente für sich nimmt, decken die an sich schon eine sehr große Amplitude ab, der Kontrabass in die Tiefe, ich in die Höhe. Wir haben quasi ein Miniorchester. Dadurch, dass ich drei verschiedene Instrumente einbringe, gibt es sehr viele verschiedene Farben und innerhalb der Instrumente nochmals eine Menge Farben. Auch wenn wir nur zu zweit sind, haben wir damit schon sehr viel zur Verfügung. Es war die Wahl der Menschen und nicht der Instrumente. Eine gute Kombination!

Stand nie die Überlegung im Raum einen zweiten, gänzlich anderen Holzbläser auszuwählen. Ich denke da an Fagottisten. Wäre das nicht eine Färbung, die den Kontrabass ergänzen und begleiten könnte?

CF: Wir haben eine Menge Kooperationen mit anderen Leuten gemacht. Jetzt nun nicht gerade mit FagottistInnen, denn die sind in unserem Genre schwer zu finden. Wir haben aber zum Beispiel mit einem Akkordeonisten zusammengearbeitet. Das hat nochmals ein neues Feld, vor allem harmonisch, eröffnet. Es hat sich aber herausgestellt, dass wir zwei als Kernbesetzung fungieren, zu der weitere Personen dazukommen.

RH: Wir hatten auch mal einen Tabla-Spieler als Gast. Bei unserem 25jährigen Jubiläum haben wir befreundete Musiker eingeladen, einen Pianisten und einen Akkordeonisten. Das war insoweit interessant, als wir Stücke von uns gespielt haben und zu sehen, wie sich die Stücke verändern.

CF: Ich für meinen Teil lebe andere Instrumenten-Verbindungen in anderen Formationen aus. Mit dem No Tango Quartett oder dem Soniq Kollektiv und komponierend natürlich mit dem Fuchsthone Orchestra. Ich finde aber trotzdem die Konzentration auf eine Stammbesetzung als Kern interessant. Wir überraschen uns immer wieder, was man noch so alles im Duo machen kann.

RH: Jede von uns lebt ja auch ihr Leben. Es ist dann auch schön, wenn wir nach einer Weile, wieder aufeinander treffen. Die eine bringt aus der Musik etwas Neues mit, die andere aus dem Leben an sich. Wenn man im Leben neugierig ist und wir auf unsere Musik neugierig bleiben, sist die Musik in gewissem Sinne zeitlos. Es gibt Stücke, die wir immer wieder gerne aufgreifen. Die Grundatmosphäre bleibt, und wir gucken da immer wieder neu drauf. So ist es immer wieder spannend, was da wieder Neues erwächst.

Seid ihr zwei Musikerinnen in einem Duo auf Augenhöhe?

RH: Auf jeden Fall.

Oder gibt es doch unterschiedliche Rollen?

CF: Nein, eigentlich versuchen wir es ganz paritätisch anzugehen und auch zu vermeiden, dass der Kontrabass automatisch in eine dienende, begleitende Rolle verfällt und ich immer in die solistische Rolle. Das muss ja überhaupt nicht sein. Wir versuchen stets, dem entgegenzuwirken.

RH: Sonst würden wir auch nicht 33 Jahre lang zusammenspielen. Dieser beidseitige Respekt – wir sind durchaus unterschiedlich und haben unterschiedliche Stärken, aber das hat nichts mit Bewertung zu tun.

Welche Bedeutung hat der jeweilige (Konzert)raum für die Musik, die ihr spielt?

CF: Eine zentrale Bedeutung natürlich. Wir haben uns darauf spezialisiert, Situationen und Räume inhaltlich aufzugreifen. Wir schauen uns die Räume vorher genau an und erforschen sie, um damit überhaupt spielen zu können. Das Oberlandesgericht in Köln ist ein gutes Beispiel. Das ist übrigens ein Raum, in dem man nicht einfach mal so reinkommt. Man muss vorher einen Antrag stellen und einen Termin machen. Vor Ort haben wir auscheckt, wie lang der Hall ist, wie kann ich damit arbeiten? Wie viele Töne darf man spielen, damit es kein Sound-Matsch wird? Das ist sehr spannend. So ist es unser Markenzeichen geworden, uns auf Räume, Menschen, bestimmte Situationen und Themenstellungen einzustellen, und zwar passgenau. Das ist eine schöne Arbeit,
macht großen Spaß – und Sinn, finde ich.

RH: Das ist auch sehr herausfordernd, Mir fällt noch das NSDOK in Köln ein. Das war sehr speziell! Es handelt sich um die frühere GESTAPO-Zentrale und ist heute ein Museum. Ein Gebäude über vier Etagen mit Ausstellungsstücken, mit wandelnden Ausstellungen. Im Keller sind Zellen, in denen Menschen inhaftiert waren. Auf dem Hof stand der Galgen, sozusagen der Exekutionshinterhof. Wir hatten den Auftrag, das Gebäude zu bespielen. Das war wirklich eine große Herausforderung. Die Frage stand im Raum: „Was wollen wir mit der Musik zu dem Thema sagen?“ Wir wollten nicht bebildern. Es war interessant, Ideen zu entwickeln, was wir in dem Keller spielen sollen, wo Menschen in den Zellen einsaßen. Die erste Etage war die ehemalige Büroetage. Die fand ich die allerschlimmste, weil dort alles so clean ist. Dort hatten wir uns für eine ganz freie Improvisation entschieden. Ich habe da beim Spielen einen Schrei eingebunden. Der kam einfach aus mir raus!

Gehe ich davon aus, dass ihr rein improvisatorisch arbeitet?

RH: Nein!

CF: Zu einem sehr großen Prozentsatz ja. Wir arbeiten jedoch immer mit internen Vorgaben. Manchmal sind es Notierungen, manchmal ist es eine Auswahl der musikalischen und harmonischen Mittel, die wir verwenden. Deren reale Ausgestaltung ist nie gleich. Das ist auch das Rezept dafür, dass es uns nie langweilig wird. Wir haben uns wechselseitig die Erlaubnis gegeben, mit dem Material in gewissem Rahmen offen zu arbeiten, damit wir uns auch selbst noch überraschen können.

Mehr als drei Jahrzehnte gibt es KontraSax. Welcher musikalischer Wandel hat sich in dieser Zeit vollzogen?

CF: Darüber haben wir auf der Fahrt hierher auch miteinander gesprochen. Die Musik hat sich in dem Maße verändert, wie auch wir uns verändert haben. Grundsätzlich ist die Herangehensweise gleich geblieben. Das elastische Moment, mit dem wir arbeiten, ist das Entscheidende, damit nichts fest und starr wird. Wenn wir Elemente wie ein Gummiband begreifen, dann können wir uns immer weiterbewegen.

Ich danke für das Gespräch.